Gastbeitrag von Christine Pehl und Gina Nauen
Warum Sinn in schwierigen Zeiten für Mitarbeiter und Unternehmen immer wichtiger wird (Teil 1)
Die Sinnfrage in der Krise
Welchen Sinn hat die Corona-Krise? Hat die Corona-Krise überhaupt einen Sinn oder ist sie vollkommen sinnlos? Die Frage nach dem Sinn der Krise, nach dem Sinn des eigenen Handelns und dem Sinn des eigenen Lebens, drängt sich gerade in dieser krisenhaften Zeit auf. Warum ist Sinn so wichtig für uns? Wenn wir im Corona-Virus einen Sinn erkennen, fällt es uns leichter, mit den Zumutungen zurechtzukommen. Denn Sinn ist ein wichtiger Bestandteil von Resilienz – psychischer Widerstandskraft von Menschen. Schon vor der Krise haben viele Menschen nach Sinn gesucht, insbesondere Vertreter der Generation Y. Auch in den Firmen tauchen vermehrt Reflexionen und Impulse zu diesem Thema auf. Unternehmen suchen nach dem Purpose (Unternehmenszweck), erforschen die Mission ihres Handelns. Organisationen beschäftigen sich mit Social Responsibility und Sustainability, also Nachhaltigkeit. Der deutliche Klimawandel ist ebenfalls ein wichtiger Anlass für ein nachhaltigeres Wirtschaften.
Pandemie treibt Digitalisierung voran
Der Ausbruch der Pandemie hat zu einem großen Digitalisierungsschub geführt, was vorher nicht machbar schien, ist jetzt Alltag: Homeoffice, Kollaboration und Videokonferenzen sind die neue Normalität. Schon vor der Krise war klar: Die Digitalisierung führt zu einem radikalen Wandel der Arbeitswelt. Allein in Deutschland werden einer Studie des IT-Verbands Bitkom zufolge rund 3,4 Millionen Stellen in der IT-Branche in den kommenden fünf Jahren gestrichen, weil Roboter oder Algorithmen die Arbeit übernehmen. Auch in Banken und Versicherungen, in der Chemie- und Pharmabranche werden in den nächsten zwanzig Jahren geschätzt die Hälfte aller Berufsbilder wegfallen – neue Geschäftsmodelle entstehen. Durch die Corona-Krise steht in der Produktion wegen des Umbruchs in der Auto- und Maschinenbauindustrie ein massiver Stellenabbau bevor.
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Corona-Krise bedroht Existenzen
Wie wirken sich Nachrichten über den Stellenabbau in vielen Branchen auf die Beschäftigten aus? "Die Unvorhersehbarkeit, was mit dem eigenen Arbeitsplatz passieren wird, führt zu Verunsicherung und verstärkt die bereits vorhandene Erschöpfung vieler Mitarbeitenden", erklärt Christine Pehl, Expertin für innere und äußere Nachhaltigkeit. Sie berät Unternehmen und arbeitet mit Führungskräften und Mitarbeitern zum Thema CSR (Corporate Social Responsibility) und innere Balance. Sie beobachtet bei ihren Kunden, dass sich psychische Probleme häufen, weil viele Menschen überfordert sind. Christine Pehl ist überzeugt: "Wir steuern auf eine Sinnkrise zu, wenn wir nicht anfangen neu zu denken. Die Corona-Zeit fordert von uns mehr zu leisten und der Ausgleich, den wir vorher mit steigendem Konsum geschaffen haben, fällt oftmals weg, weil wir aus Unsicherheit weniger materielle Dinge kaufen. Der Stress hat damit kein Ventil mehr." Was ist die Lösung für dieses Dilemma? Christine Pehl regt zum Umdenken an: "Statt im Außen zu sein, sollten wir uns nach innen wenden und uns fragen: Was sind meine Werte und was ergibt für mich persönlich Sinn? Wie kann ich Halt und Orientierung finden? Es geht um einen Perspektivenwechsel und um Bewusstwerdung: von innen nach außen."
Corona-Krise führt zu Erschöpfung
Weshalb sind wir so viel im Außen? Neue Technologien haben massiv in unseren Alltag Einzug gehalten - seit Corona ist auch die Arbeit am heimischen Schreibtisch für die Hälfte der Beschäftigten möglich. Zwar schätzen die meisten Arbeitnehmer die neue Flexibilisierung durch die Arbeit im Homeoffice, doch fehlen andererseits der Austausch mit Kollegen und die Trennung von Arbeit und Privatleben. Die Auswirkungen sieht Christine Pehl bei den Mitarbeitern in Unternehmen: "Viele Menschen können kaum noch abschalten. E-Mails checken beim Frühstück, Social-Media beim Abendessen und der schnelle Blick auf Chats in WhatsApp, all das ist zur Selbstverständlichkeit geworden. Wer so lebt, hat die Aufmerksamkeit nicht bei sich und den eigentlichen Bedürfnissen."
Christine Pehl regt zum Umdenken an: "Statt im Außen zu sein, sollten wir uns nach innen wenden und uns fragen: Was sind meine Werte und was ergibt für mich persönlich Sinn? Wie kann ich Halt und Orientierung finden? Es geht um einen Perspektivenwechsel und um Bewusstwerdung: von innen nach außen."
Psychischer Stress steigt
Die Verunsicherung durch die Krise sowie permanente Erreichbarkeit und Multitasking führen bei vielen Menschen zu digitaler Erschöpfung. Auch die Anforderung, agiler zu arbeiten löst Überforderung aus, warnt der Neurowissenschaftler Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth: "Im Rahmen der Konzepte agiles Arbeiten und Arbeiten 4.0 werden neue Bedingungen des Arbeitens propagiert. Dazu gehört beispielsweise eine Kultur permanenter Veränderung, ein mobiler Arbeitsplatz, der Eigenverantwortlichkeit und mehr Teamarbeit fordert. Allerdings wurde bisher nicht genügend geprüft, inwieweit diese Anforderungen mit der Persönlichkeit der Führungskräfte und Mitarbeiter und mit ihrer Veränderungsbereitschaft bzw. mit ihrer Veränderungsfähigkeit vereinbar sind. Es entsteht die große Gefahr, dass es hierbei zu Überforderung in Form von psychischen Erkrankungen kommt. Dies kann für Organisationen existenzbedrohend werden."
Sinnkrise erfordert neues Denken
"Als Antwort auf die zunehmende Digitalisierung forciert durch die Krise sowie die zunehmend agile Arbeitswelt bekommt die Sinnfrage eine umso größere Dringlichkeit", stellt Jürgen Bockholdt, CEO der CAREERS LOUNGE, fest. "Die Frage nach dem Sinn wird von vielen Menschen in einer neuen Qualität gestellt. Es geht nicht mehr nur um den persönlichen Sinn des Lebens. Das Thema dringt in Unternehmen vor und Führungskräfte und Mitarbeiter wünschen sich Antworten darauf. Wenn Sinn in Unternehmen fehlt, wenden sich die Talente von diesem Unternehmen ab. Das Unternehmen wird keine Top-Mitarbeiter mehr finden." "Die Welt ist komplex und schnelldrehend, doch stimmen die Werte der VUCA-Welt mit unseren Werten als Mensch überein?", fragt Christine Pehl. "Da wir in unserem Schulsystem kein Handwerkszeug für innere Klärungsprozesse bekommen, wissen wir oftmals nicht, wonach wir eigentlich suchen." Christine Pehl appelliert daher, sich zu überlegen, was das Mensch-Sein ausmacht. "Wer die Frage nach dem Sinn für sich selbst glaubwürdig beantworten kann, ist nachweislich gesünder und widerstandsfähiger gegen Krisen. Im Resilienzkonzept ist Sinn ein wesentlicher Baustein. Menschen, die ihren Sinn gefunden haben, kommen nach Krisen besser wieder in ihre Kraft."
Wer die Frage nach dem Sinn für sich selbst glaubwürdig beantworten kann, ist nachweislich gesünder und widerstandsfähiger gegen Krisen.
Erschöpfung hat viele Gesichter. Ein Aspekt ist der Sinn. Wie sinnvoll finden Sie ihre Tätigkeit?
Ohne Sinn geht Mitarbeitern die Motivation beim Arbeiten verloren. Das gilt auch für Mitarbeiter, die sehr einfache Tätigkeiten ausführen. Der Frage "Würden Sie für sinnvolle Aufgaben auf Lohn oder Status verzichten?" stimmen mehr als zwei Drittel der Befragten in verschiedenen Studien aus Europa zu. Diese Antwort geben nicht nur Manager. Auch Mitarbeiter in den unteren Ebenen wünschen sich sinnvolle Tätigkeiten, sowohl beim Mittelständler als auch bei großen Unternehmen.
Sinnfindung – ein neues Phänomen
Und das ist ein neues Phänomen. In der Kreativbranche und im Bereich der Wissensarbeit schon länger verbreitet, wollen heute selbst hinter dem Fließband Menschen sagen können: "Hinter diesem Arbeitgeber und diesem Team kann ich stehen."
Zum Gastbeitrag Teil 2: Wie Sie Ihren persönlichen Sinn finden