Unternehmen müssen sich den Auswirkungen der Digitalisierung stellen. In der CAREERS LOUNGE trägt das Thema "Wunscharbeitgeber" daher den Zusatz "im digitalen Zeitalter". Als Wunscharbeitgeber sind die Themen Gesundheit und Prävention wichtig. Die Führungsriege sollte darauf sensibilisiert sein, mit diesem Thema bewusst umzugehen.
Früher hatte man nach der beruflichen Tätigkeit den restlichen Tag Zeit, andere Dinge zu machen. Mittlerweile zieht sich das Berufliche soweit, dass man nach der Arbeit zu Hause noch weiterarbeiten kann. Und somit ist der Tag, an dem du wegkommst von allem, kürzer. Früher wurden Briefe geschrieben und es dauerte zwei Tage, bis der Brief ankam. Nach zwei Tagen frühestens war die Antwort da. Es gab viel mehr Zeit, sich zwischendrin mit anderen Themen zu beschäftigen. Am Anfang des digitalen Prozesses konnte man auf einmal kurz etwas bearbeiten und war dann fertig, hatte Luft. Das Problem ist aber jetzt, dass die Luft jetzt auch wieder weg ist und viel mehr Aufgaben warten, weil wir viel mehr in kürzerer Zeit erwirtschaften können. Und das merken wir am Anfang erst gar nicht.
Wie können Unternehmen damit besser umgehen?
Unternehmen sollten in Gesundheitsdingen viel mehr auf den Einzelnen eingehen. Denn am Ende haben alle mehr davon. Es freut mich, dass viele Firmen BGM-Maßnahmen miteinbeziehen. Die Mitarbeiter in einer Firma haben die Möglichkeit, Fitness oder eine Art Wellness zu machen. Das sind schöne Sachen, aber ich glaube nicht, dass das die Masse der Menschen ausgleicht. Von zehn Frauen oder Männern gleicht das vielleicht zwei komplett aus. Die anderen acht beschäftigen sich vielleicht lieber in der Natur oder mit Tieren, was machen die dann? Was haben die von einem Fitnessraum, in dem sie eine stählerne Gewichtsscheibe vor sich haben, obwohl sie lieber draußen wären? Das wird genauso spezieller wie alles im Beruflichen. Was zählt, ist, wie der einzelne Mensch tickt. Wenn jemand ausgeglichen ist, kann er viel mehr leisten als jemand, der mit irgendetwas abgespeist wird.
Glauben Sie an das Thema Work-Life-Balance?
Das ist das Wichtigste, das man in der heutigen Zeit zu managen hat.
Wir verbringen viel Zeit mit Arbeit und mit den Kollegen. Beruf und privat strikt zu trennen, ist heute nicht mehr möglich. Sollten Unternehmen mehr daransetzen, dass es ein fließender Prozess zwischen dem Managen der beruflichen Zeit und privaten Zeit ist? Wie sehen Sie das?
Ich glaube, dass ein Chef sich nicht um alles kümmern kann. Für die Work-Life-Balance muss jeder selbst wissen, was gut für ihn ist. Viele sind heute so überfordert, dass sie sich nicht selbst um alles kümmern wollen. Die Selbstverantwortung ist aber das Wichtigste. Die Grundvoraussetzung ist, dass die Menschen, nicht einem Trend hinterherschwimmen, der vom Fernsehen, Zeitschriften und anderen Medien vorgegeben wird. Wenn ich weiß, was für mich gut oder schlecht ist, dann bewerbe ich mich vielleicht gar nicht bei einer Firma, die sich mit Dingen beschäftigt, die ich gar nicht will, obwohl ich dort gut Geld verdienen würde.
Wir müssen lernen, mit dieser Welt, die uns vorwärtsbringt, umgehen zu können, weil wir Menschen sind und keine Computer. Das ist die Diskrepanz: Wenn ich vor dem Computer sitze, kann ich nicht sagen, ich setze mich heute nur vier Stunden hin. Die Arbeit wartet. Ich muss es machen. Das kann man nicht abdrehen. Was man tun kann: Die restliche Zeit so zu gestalten, dass Ausgleich entsteht. Ob das Fitness oder Laufen ist, chinesische Sportarten wie Qigong oder Tai Chi, entspannendes Ausmalen, einfach mal ein Tierpark-Besuch oder das Schrauben am eigenen Auto. Sport lebt auch vom vielen Wechsel in kürzerer Zeit und Unternehmen sind natürlich breiter und größer aufgestellt, aber die Wege sind die gleichen.
Können Unternehmensverantwortliche auf Sie zukommen, um gezielt Tipps und Erfahrungen zu erhalten, wie sie ihr Unternehmen in diesem Bereich aufwerten können?
Ich komme natürlich aus der Sparte des Gesundheitlichen. Wenn es um digitale Prozesse geht, gibt es andere, die darin aufgehen, neue Prozesse zu finden, um Abläufe noch schneller zu machen. Trotzdem sind auch die, die das tun, Menschen. Daher dürfen sie nicht die andere Seite, das Normale, vergessen. Ich habe auch alles für mein Springen getan. Am Ende hat mich aber das, was ich geliebt habe und auch heute noch über alles liebe, krank gemacht und ich musste aufhören. Da sagt man: "Dann war es doch das Falsche". Nein, es war das Richtige! Ich habe die Balance nicht leben können, weil ich einfach zu tief in der Materie war. Und das ist für mich der wichtigste Ansatz.
Ist das Thema „Balance“ ein entscheidender Faktor?
Wenn ich mehr arbeite, fordere ich meinen Körper mehr, dementsprechend muss ich auf der anderen Seite mehr investieren. Damit eine Balance entsteht. Ohne Balance kann ich eine Weile leben. Dann stimmen vielleicht die Zahlen oder in meinem Fall stimmt auch der Erfolg. Jedoch brauche ich mich dann nicht zu wundern, wenn ich vielleicht früher aufhören muss oder im schlimmsten Fall das Unternehmen auseinanderbricht.
Lesen Sie hier den zweiten Teil des Exklusiv-Interviews
Sehen Sie hier Sven Hannawald im KarriereTalk –Video mit der CAREERS LOUNGE:
Zum KarriereTalk-Video mit Sven Hannawald