Eine neue Welle der Talentsuche
Erste Ära – die Körperkraft entscheidet
Die erste Ära der Talentsuche dauerte Jahrtausende. In dieser Zeit waren die körperlichen Fähigkeiten eines Menschen entscheidend. Um eine Pyramide zu errichten, einen Krieg zu gewinnen oder die Ernte einzuholen, wurden die gesündesten und stärksten Menschen gewählt. Diese Eigenschaften waren leicht zu beurteilen. Obwohl sie heute immer weniger Bedeutung haben, suchen wir trotzdem immer noch unbewusst danach: So sind die CEOs auf der „Fortune“-500-Liste im Schnitt gute sechs Zentimeter größer als der Durchschnittsamerikaner. Auch bei militärischen Führungskräften und politisch Verantwortlichen ist die Größe ein Erfolgskriterium.
Zweite Ära – Intelligenz zählt
In der zweiten Ära der Talentsuche ging es bei der Einstellung neuer Mitarbeiter hauptsächlich um Intelligenz, Erfahrung und bisherige Leistungen. Der Intelligenzquotient - IQ - galt als relevanter Faktor bei Personalentscheidungen, denn er gibt Aufschluss über mathematische, verbale und analytische Fähigkeiten. Bei der Beurteilung orientierten sich Personalverantwortliche an der Ausbildung der Kandidaten und den Ergebnissen von Prüfungen und Tests. Da im Laufe der Zeit ein großer Teil der beruflichen Tätigkeiten standardisiert wurde, wurde die bisherige Performance eines Bewerbers zu einem Prüfstein bei der Kandidatenauswahl.
Dritte Ära – Kompetenz als Leistungsgrundlage
Seit den 80er Jahren bis heute spielt die Kompetenz eine bedeutende Rolle. Der amerikanische Psychologe David McClelland beschrieb im Jahr 1973 in seinem Artikel „Testing for Competence Rather than for ,Intelligence‘“, dass Mitarbeiter, allen voran Manager, nicht mehr nur auf Grundlage ihrer Intelligenz, sondern aufgrund bestimmter Fähigkeiten und Eigenschaften wie ihrer Werte, ihres Verhaltens, ihrer Führungsfähigkeit und ihrer sozialen Kompetenz beurteilt werden sollten. Auf der Grundlage dieser Kompetenzen ließe sich einschätzen, ob sie herausragende Leistungen in der angestrebten Position erbringen würden.
Die damalige Zeit erforderte neue Auswahlkriterien, weil die technologische Entwicklung inzwischen zu zunehmender Komplexität beruflicher Aufgaben geführt hatte. Erfahrung und Leistung in früheren Positionen verloren damit an Bedeutung. Stattdessen wurden Kompetenzen mit der richtigen Kombination für die jeweilige Position das Maß für die Kandidaten. Für Führungsaufgaben gewann außerdem das Thema „Emotionale Intelligenz“ an Relevanz.
Vierte Ära – Potenzial erfassen
Heute stehen wir an der Schwelle einer vierten Ära: Der Fokus verschiebt sich von den Kompetenzen auf das Potenzial einer Führungskraft. In einer schnelllebigen, unsicheren und komplexen Welt werden allein auf Kompetenz basierende Beurteilungen und Einstellungen von Mitarbeitern immer unzureichender.
Eigenschaften, die zum Erfolg eines Mitarbeiters in einer bestimmten Position beigetragen haben, können heute schnell obsolet werden, weil sich die Unternehmensausrichtung ändert, der Wettbewerb neues Vorgehen erfordert oder die Zusammensetzung des Teams sich ändert. Die wesentliche Voraussetzung für erfolgreiches Handeln beruht daher nicht mehr auf den richtigen Kompetenzen. Vielmehr gibt heute das Potenzial darüber Aufschluss, ob ein Manager oder ein Mitarbeiter in der Lage ist, sich neue Kompetenzen und Fähigkeiten anzueignen.
„Die Fähigkeiten, die Sie heute erfolgreich machen, können morgen schon wesentlich weniger wichtig sein." Fernández-Aráoz.
Die nächste Welle der Talentsuche wird sich daher weniger auf die Kompetenzen als auf die Qualitäten und das Potenzial von Personen richten. Dies trifft im besonderen Maße zu, wenn ein CEO gesucht wird.