Gastbeitrag von Veronika Hucke
Warum unser bestehendes Netzwerk oft nicht reicht und wie es sich zielgerichtet erweitern lässt
„Selbstverliebt und träge” nennt Herminia Ibarra, Professorin an der London Business School, Netzwerke, die sich spontan und natürlich entwickeln, mit Menschen, die sich automatisch begegnen und sich sympathisch sind. Leider bleiben solche Netzwerke homogen und das zeigt Wirkung: „Sie können uns niemals die Breite und Vielfalt an Einsichten vermitteln, die wir benötigen, um die Welt um uns herum zu verstehen, um gute Entscheidungen zu treffen und Menschen, die anders sind als wir, von unseren Ideen zu überzeugen.“
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Keine "anderen" zu kennen, hat einen hohen Preis
Wer sich auf wenige Vertraute verlässt, schränkt damit die eigenen Möglichkeiten ein. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass Menschen, die mir nahestehen, Zugriff auf die gleichen Informationen und Ideen haben, wie ich selbst. Ihr Rat bringt mich daher wenig weiter. "Die Stärke schwacher Verbindungen" hat der Soziologe Mark Granovetter bereits in den 1970ern nachgewiesen. Bei seiner Untersuchung "Getting a Job" stellte er fest, dass zwar viele einen neuen Arbeitsplatz durch Kontakte finden. Das passierte aber erstaunlich selten – nur bei 17 Prozent – über Menschen, die sie häufig trafen. Fast ein Drittel verdankte ihren Erfolg einer Person, die sie fast nie sahen. Solche "schwachen Verbindungen" verknüpfen unser Netzwerk mit ganz anderen Menschen und Gruppen als denen, mit denen wir uns tagtäglich umgeben.
Neuen Arbeitsplatz durch neue Kontakte finden
Zum gleichen Ergebnis kamen auch schon Jeffrey Travers und Stanley Milgram. Sie wollten – zu Zeiten vor LinkedIn – das "kleine Welt"-Problem untersuchen und feststellen, ob sich tatsächlich alle über ein paar Ecken kennen. Sie baten knapp 300 Probanden einen Brief an eine ihnen unbekannte Person zu senden. Dabei sollten sie Bekannte nutzen - und diese die ihren –, damit der Brief über verschiedene Zwischenstationen ans Ziel kommt. Tatsächlich brauchte keiner der Briefe, die tatsächlich ankamen, mehr als sechs Stopps. Allerdings erreichten nur 64 ihr Ziel. Die große Mehrzahl drehte ihre Runden in einem engen Zirkel, weil die Erstkontakte niemanden außerhalb ihres unmittelbaren Umfelds kannten.
Homogene Verbindungen sind einschränkend
Leider hat sich die Situation in den letzten 50 Jahren weniger verändert, als man vermuten könnte. Sogar in den sozialen Medien sind die Verbindungen überwiegend homogen. Selbst wenn wir internationaler aufgestellt sind und mehr unterschiedlichen Menschen begegnen, nutzen wir diese Ressource nicht. In ihren Ausbildungsprogrammen für Topführungskräfte stellt Ibarra immer wieder fest, dass die Mehrzahl der Teilnehmenden ihre Kontakte innerhalb des eigenen Fachgebiets, ihres Unternehmensbereichs oder ihrer Firma haben. Selbst wenn es gilt, strategische Fragen zu diskutieren, werden externe Perspektiven selten einbezogen.
Blinder Fleck: Hierarchie
Ein typischer blinder Fleck sind auch fehlende Beziehungen mit Menschen, weiter unten in der Hierarchie. Vor lauter Bestreben nach oben zu kommen und sich bei wichtigen Stakeholdern zu positionieren, übersehen die Befragten die Bedeutung von denen, die wissen, wie "reguläre Beschäftigte" zum Unternehmen stehen und was sie umtreibt. Ein starkes Netzwerk bietet dagegen eine 360 Grad Perspektive und beinhaltet Kontakte, die hierarchisch über, neben und unter einem stehen.
Das eigene Netzwerk stärken
Um Schwächen im eigenen Netzwerk auszumachen und abzustellen, lohnt eine fundierte Analyse. Ausgangspunkt dafür ist eine Übersicht der wichtigsten Beziehungen. Listen Sie dazu, die Menschen auf, die Sie in letzter Zeit um Rat gefragt oder als Sparrings-Partner genutzt haben.
Haben Sie Konnektoren?
Im zweiten Schritt überprüfen Sie die Dichte Ihres Netzwerks. Sind die meisten Ihrer wichtigsten Vertrauten auch miteinander bekannt oder bewegen sich alle in verschiedenen Kreisen? Dadurch können Sie feststellen, ob Sie genug "Konnektoren" haben – Menschen, die Ihnen Zugang zu anderen Netzwerken geben.
Tragen Sie dazu die Namen ihrer wichtigsten Kontakte in eine Übersicht wie die Abbildung "Netzwerkdichte ermitteln" ein und setzen Sie ein Kreuz, wenn sich die Personen auch untereinander kennen. Falls Sie das nicht wissen, setzen Sie kein Kreuz. Je weniger Kontakte sich auch untereinander kennen, desto breiter sind ihre Kontakte aufgestellt und desto geringer ist die Netzwerkdichte.
Netzwerke verbreitern
Um festzustellen, wer im Netzwerk fehlt, hilft eine weitere Übung. Dazu gilt es zunächst zu definieren, welche Erfahrungen und Charakteristiken Menschen auszeichnen sollten, um neue und relevante Impulse beizutragen. Welcher andere Kontext ist hilfreich? Welche Erfahrungen könnten sie mitbringen? Welche Perspektiven sollten sie beitragen? Aus dem gleichen oder anderen Unternehmen, Funktionen oder Branchen?
Wer eine solche Übersicht erstellt und ausfüllt, kann auf einen Blick feststellen, ob Menschen unterschiedlicher Geschlechter, Generationen, Nationalitäten, mit und ohne Migrationshintergrund und so weiter im eigenen Netzwerk vertreten und angemessen repräsentiert sind. Oder man bemerkt, wie homogen die wichtigsten Kontakte sind und welche Aspekte vielleicht übersehen werden.
Das Netzwerk frisch und dynamisch halten
Ein dynamisches Netzwerk stellt sicher, dass unsere Kontakte relevant und hilfreich bleiben. Dazu reicht es nicht, sich auf bestehende Beziehungen zu verlassen. Durch neue Aufgaben und Funktionen, weil wir aufsteigen oder das Unternehmen wechseln, ebenso wie durch Veränderungen in unserem Umfeld werden Kontakte alt und passen nicht mehr unbedingt zu unserer beruflichen Realität. Ein vielfältigeres Netzwerk hat zudem noch einen weiteren Vorteil: Menschen, die sich deutlich von uns unterscheiden, sind oft Konnektoren und eröffnen uns Zugang zu anderen Gruppen und verbreitern damit zusätzlich unser Netzwerk.
Strategie für das Netzwerken
Um das eigene Netzwerk zukunftsfit zu machen, ist eine vernünftige Strategie erforderlich. Startpunkt sollten dabei Ihre Ziele sein. Was wollen Sie erreichen? Wohin möchten Sie sich entwickeln? Was wollen Sie in Ihrem Leben verändern? Wenn Sie Klarheit über Ihre Vision haben und wissen, wo es hingehen soll, ist ein Aktionsplan fürs Netzwerken sinnvoll. Der besteht aus drei Schritten und hilft Ihnen, gezielt Beziehungen zu entwickeln, die Sie für die Verwirklichung Ihrer Pläne benötigen:
- Im 1. Schritt definieren Sie die Ziele, die Sie haben und die Ihnen helfen werden, Ihre Vision zu erreichen. Wenn Sie beispielsweise beruflich aufsteigen wollen, gilt es zu überlegen, was dafür erforderlich ist. Brauchen Sie bestimmte Kenntnisse? Müssen Sie zusätzliche Erfahrungen sammeln?
- In 2. Schritt verknüpfen Sie diese Ziele mit Menschen oder Instrumenten, die es Ihnen ermöglichen, sie zu realisieren.
- Im 3. Schritt definieren Sie dann, wie Sie am besten eine Beziehung zu wichtigen neuen Kontakten aufbauen.
Ein gutes Verfahren, um neue Kontakte aufzubauen, ist "Working Out Loud". Dabei ist Großzügigkeit das leitende Prinzip: Um das eigene Netzwerk zu entwickeln, geht man in Vorleistung. Statt Menschen "kalt" anzusprechen und um Hilfe zu bitten, überlege ich, welche Möglichkeiten ich habe, um sie zu unterstützen. Welchen Beitrag ich für sie leisten kann. Das können einfache Dinge sein, wie ein "like" für einen Post, ein Kommentar oder eine Empfehlung. Ich kann Informationen oder Artikel teilen, die für sie vermutlich interessant sind. Oder ich kann Fragen stellen, die ihnen die Möglichkeit geben, zu glänzen. So entstehen Austausch, Sichtbarkeit und Vertrauen und die Möglichkeit, immer relevantere Beiträge zu leisten. Mit der Zeit kann man einander immer besser unterstützen und gemeinsam mehr erreichen.
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