Gastbeitrag von Prof. Dr. Dennis Lotter
Marktführerschaft im technologischen Dämmerschlaf
Leider ist es kein Einzelfall: technologie- und marktführende Unternehmen haben die riskante Neigung, sich auf das zu verlassen, was ihnen im analogen Geschäftsleben Erfolg brachte. Sie schweben hoch hinaus – und entfernt von der Realität und den wahren Marktgegebenheiten. Das macht den Weg frei für digitale Neueinsteiger, die aus dem Nichts auftauchen und mir nichts, dir nichts den Markt mit digitalen Innovationen kapern und alteingesessenen Konkurrenten eine lange Nase zeigen. Überzeugte Technologieführerschaft versetzt Unternehmen eben in einen Erfolgsrausch, der die Bodenhaftung lockert.
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Marktführer sind leider anfällig für technologischen Dämmerschlaf
Der Erfolg wirkt wie ein Betäubungsmittel, das in einen Dämmerzustand führt. Im Halbschlaf nehmen Marktführer ihre Umwelt nur in leicht gedämpfter Form wahr. Ein bisschen so, wie in Watte gepackt. Tief in ihrem Erfolgsdenken verwurzelte Unternehmen unterschätzen und verkennen dabei disruptive Innovationen und erkennen sich abzeichnende Tendenzen nicht oder zu spät. Sie konzentrieren sich im Rausch voll darauf, ihre etablierten Technologien und Werte stetig zu verbessern, um sich im hart umkämpften Markt mit differenzierten Lösungen abzuheben. Irgendwann ist eine Technologie aber so ausgereizt, dass der hohe Entwicklungsaufwand in keinem Aufwand steht zum Mehrwert, den der Kunde empfindet. Der Punkt ist erreicht, an dem ein disruptiver Urknall droht. Was auf Wolke Sieben schwebt, kann vom Kunden oft nicht mehr wahrgenommen und goutiert werden. Wer zu weit weg von seinen Kunden agiert, wird irgendwann zwangsläufig und äußerst unsanft auf den harten Boden der Tatsachen zurückgeworfen.
Der Weg zurück in den Hallo-Wach-Zustand
Das Kernproblem von etablierten Marktführern: Die Direktiven gehen von der Leitung aus, der (IT-)Ingenieur baut die Lösung zusammen. Manager zielen explizit auf komplexe Lösungen, die sich gerne als realitätsfern erweisen. Dass sie das Tor (beim Elfmeter) dabei verfehlen, fällt ihnen nicht auf. Techniker und Ingenieure wiederum haben wenig oder gar keine Ahnung von Kundenbedürfnissen. Oft sind sie visionär und technikverliebt, was mit dem Faktor Benutzerfreundlichkeit nicht eben kongruent sein muss.
In der agilen Arbeitswelt findet sich die Brücke zwischen Management und IT-Abteilung im Modell des Design Thinking. Der Design Thinking Prozess ist in Charakter und Ablauf dem stufenweisen Arbeitsprozess entliehen, dem Designer intuitiv folgen. Teams bewegen sich in iterativen Schleifen durch fünf aufeinander folgende und aufeinander aufbauende Phasen: Verstehen – Beobachten - Sichtweise definieren - Ideen finden - Prototypen entwickeln und testen.
Arbeiten wir im Design Thinking, beschäftigen wir uns zentral mit den Nutzerwünschen und Bedürfnissen der intendierten Zielgruppen und orientieren uns bei Innovationen strikt an den Bedürfnissen der späteren Nutzer. Erfolgsrausch, ausufernde Ingenieursgläubigkeit und mangelhafte Kenntnis des Kundenkontextes führen zu einer Dissonanz zwischen etablierten Marktführern und Kunden. Design Thinking ist dazu angetan, die Dissonanz zwischen den Vorstellungen des Kunden, des Managements und der (IT-)Ingenieure zu überbrücken.
Das Buch zum Thema
CAREERS LOUNGE BUCHTIPP:Dennis Lotter: Digital Transformation Design. 33 Prinzipien, wie Sie Organisationen ins intelligente Zeitalter führen. 1. Auflage BusinessVillage 2019 |