Gastbeitrag von Carsten K. Rath
Putsch mit Ankündigung
Wird die Führungskultur in Deutschland in zehn Jahren eine andere sein als heute? Lange Zeit beschränkte sich die Diskussion um die Bedürfnisse und Ziele der jungen Generationen auf Lifestyle-Analysen und Digitalisierungsfantasien. Je nach Provenienz der Urheber und Studiendesign schwankten die Diagnosen stark: Mal war von ideologisch motivierten Umstürzlern die Rede, mal von oberflächlichen Faulpelzen. An konkreten Antworten der jungen Menschen zu Wirtschafts- und insbesondere Führungsthemen mangelte es – denn dazu mussten die Y'ler und Z'ler (was kommt eigentlich nach Z?) erst einmal Fuß fassen und sich repräsentativen Führungspositionen zumindest annähern.
Von wegen kein Bock auf Karriere
Eine neue Studie von GFK und St. Gallen Symposium bietet nun interessante Indikatoren, wohin die Reise tatsächlich gehen könnte. Denn inzwischen ist eine gewisse Schwungmasse der jungen Talente jenseits der Start-ups auch in größeren Unternehmen an einem Punkt angelangt, wo sie entweder bereits größere Einheiten führen oder als Kandidaten für höhere Führungspositionen in den Startlöchern stehen. Für das "Global Perspectives Barometer 2017 – Voices of the Leaders of Tomorrow" wurden rund 1.000 junge Top-Talente aus mehr als 80 Ländern zu ihren Haltungen und Ansichten über Arbeit und Führung befragt.
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Wie macht sich der Generationenwechsel bemerkbar?
Und siehe da: Viele der Ergebnisse stehen in deutlichem Kontrast zum Vorwurf des Laissez-faire, mit dem jungen Talenten häufig behaftet sind. Vielmehr planen sie ihre Karrieren durchaus gezielt und strategisch – wie auch die Generationen vor ihnen. Dennoch deutet sich in den Ergebnissen an, dass der Generationenwechsel sich in der Führungskultur deutlich bemerkbar machen wird – denn mit einigen schlechten Angewohnheiten des "Monkey Business" ihrer Vorgänger gedenken die Jungen radikal zu brechen.
Keine Angst vor Transparenz
Das am wenigsten überraschende Ergebnis der Studie ist, dass die Jungen ihre digitale Präsenz routiniert und gezielt steuern. Angesichts früherer Prognosen, dass die Arbeit bei ihnen eine untergeordnete Rolle spielen könnte, räumen sie diesem Thema allerdings eine erstaunlich hohe Priorität bei ihren Online-Aktivitäten ein: berufliche Informationen stehen dort im Vordergrund. 87 Prozent der Befragten zeigen online ihren Bildungsweg, 76 ihre aktuelle Stelle und 71 Prozent teilen Informationen über ihre bisherige berufliche Laufbahn. Bemerkenswert ist das vor allem deshalb, weil dieselben Menschen im Netz sehr achtsam mit ihren privaten Informationen umgehen. So trennen dreiviertel der Befragten klar zwischen privater und beruflicher Online-Präsenz, indem sie getrennte Profile einrichten.
Trennung beruflicher und privater Aktivitäten im Netz
Diese Gewichtung beruflicher Aktivitäten im Netz lässt zwei Rückschlüsse zu: Zum einen nutzen die jungen Talente die digitalen Möglichkeiten eindeutig nicht nur zum Privatvergnügen, sondern setzen ihre Digital-Kompetenzen gezielt für ihr berufliches Vorankommen ein – sogar mehr oder weniger isoliert von ihren sonstigen Interessen. Mangelnde Ambitionen oder Karrierefaulheit kann man den Führungs-Anwärtern also offenbar nicht unterstellen.
Sie wissen, was du letzten Sommer getan hast
Zum anderen weisen die Ergebnisse einen deutlichen Unterschied zu früheren Generationen auf: Ein großer Teil der Führungskräfte der "alten Schule" ist online nur im Rahmen des unbedingt Nötigen präsent oder verzichtet ganz auf die Preisgabe persönlicher Informationen im Netz. Das passt zum alten System von Weisung und Kontrolle: Ein "Corporate Monkey", der taktiert und intrigiert, reduziert den Informationsfluss im Unternehmen so gut er kann. Denn jede Information macht ihn potenziell angreifbar – sowohl seine Entscheidungen als auch seine Position in der Hierarchie. Viele Mitarbeiter solcher Führungskräfte wissen noch nicht einmal, wie und warum ihr Vorgesetzter zu seinem Posten gekommen ist – geschweige denn, welche Ziele er verfolgt.
Offenheit statt Geheimwissen
Wenn nun ein Chef der neuen Generation über den Sommer an einer Konferenz teilnimmt, wissen seine Mitarbeiter im Zweifel nicht nur, wo und worüber er gesprochen hat, sondern können sich den Auftritt vielleicht auch gleich noch bei YouTube anschauen. Das ist ein riesiger Schritt zu mehr Offenheit im Vergleich zu den geschlossenen Geheimgesellschaften der "Corporate Monkeys", zu deren Geheimwissen die Mitarbeiter meist keinen Zugang haben.
Bessere Erfolgsaussichten dank Transparenz
Mit 77 Prozent hat die überwiegende Mehrheit der Studienteilnehmer der Überzeugung Ausdruck verliehen, dass Unternehmen, die Informationen und Wissen intern offen teilen, langfristig die besseren Erfolgsaussichten haben. Mit 66 Prozent sprachen sich fast zwei Drittel zudem für eine offene Fehlerkultur aus: eine Vorstellung, die vielen Corporate Monkeys mit ihrer Abschottungs-Mentalität Alpträume bescheren dürfte.
Unethisches Führungsverhalten: Nicht mit uns
Die Bereitschaft zur Transparenz in den jungen Generationen könnte der Unkultur der Informationsbarrieren also endlich den Garaus machen: Wenn die Chefs mehr über sich preisgeben und offener mit Informationen umgehen, werden sie sich mutmaßlich auch nicht mehr im Ledersessel verschanzen und verschlüsselte Anweisungen an die Außenwelt funken, ohne den Plan dahinter preiszugeben. Mehr Transparenz, mehr Kommunikation: Das wäre ein begrüßenswerter Schritt zu mehr Freiheit und Mitgestaltung in den Unternehmen.
Dass mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Befragten sich sogar vorstellen können, grob unethisches Verhalten im Unternehmen öffentlich an den Pranger zu stellen (und zumindest unternehmensintern sogar 59 Prozent), darf den Boni- und Zahlenakrobatik-Fans unter den "Corporate Monkeys" als deutliche Warnung gelten: Besser heute schon eine offene, interne Diskussionskultur etablieren und mafiöse Machtstrukturen anpacken, als morgen mit den Folgen eines veralteten Führungsverständnisses das Ansehen der Marke riskieren.
Ein Putsch mit Ankündigung: So mancher Corporate Monkey wird sich wohl warm anziehen müssen.
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