CAREERS LOUNGE präsentiert: Dr. Pero Mićić (Teil 1)
Dr. Pero Mićić gründete 1991, noch als Student, das erste Unternehmen für Zukunftsmanagement in Europa. Heute noch ist er Vorstandsvorsitzender der FutureManagementGroup AG. Dr. Mićić berichtet aus der Praxis. Er spricht täglich mit den Spitzen der Wirtschaft. Als Investor, unter anderem im Feld der Künstlichen Intelligenz, ist Pero Mićić hautnah am Puls der Trends, Zukunftstechnologien und Geschäftsmodelle. In Hunderten von Projekten hat er mit den Führungskräften bekannter Konzerne und führender Mittelständler Zukunftsmärkte analysiert, Visionen und Zukunftsstrategien entwickelt und die Mitarbeiter für die Umsetzung gewonnen. An der Steinbeis-Hochschule ist er Professor für "Foresight and Strategy".
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Herr Dr. Mićić, Sie sind Experte für Zukunftsmanagement. Was kommt auf uns Menschen in Zukunft zu?
Wir werden eine weitere Technologisierung unserer Welt erleben. Durch künstliche Intelligenz und alle Disziplinen, die von der Digitalisierung und künstlicher Intelligenz gefördert werden: von der Biotechnologie über die Medizin bis hin zu allen Formen von Verkehrstechnologie.
Das bedeutet für uns als Menschen eine Erhöhung unserer Lebensqualität, die Verbesserung unserer Gesundheit und eine Verlängerung unserer Lebenserwartung. Wenn wir in die vergangenen Jahrzehnte schauen, dann sind die Lebensqualität und der Wohlstand global deutlich gestiegen. Man nimmt das nicht so wahr, weil man in der Regel negative Nachrichten hört, aber wir haben beispielsweise die Mütter- und die Säuglingssterblichkeit drastisch reduziert. Die Zahl der Menschen, die auf der Welt hungern, ist seit Mitte der 90er Jahre halbiert, obwohl mehr Menschen auf der Erde leben. Es gibt viele gute Nachrichten und große Erfolge und das wird weitergehen, weil wir dazu noch bessere Mittel haben, gerade technologischer Art.
Werden die neuen Technologien uns sehr fordern?
Meine Erwartung ist, dass wir damit nicht überfordert werden, weil die Technologien nur dann von den Menschen angewendet werden, wenn sie auch einfach genug sind. Das lehrt uns auch die Vergangenheit: Mittlerweile können wir mit einem Smartphone viele Dinge tun, die am Anfang mit einem intelligenten Telefon von früher gar nicht denkbar waren. Die Voraussetzung ist, dass wir uns einfallen lassen, wie wir es den Menschen einfacher machen.
Was unterwegs auf uns zukommt - und bereits begonnen hat - ist eine Revolution unserer Verkehrswelt, unserer Mobilität. Schon heute ergibt es bei großen Autos wenig Sinn, etwas anderes als einen batterieelektrischen Antrieb zu kaufen. In drei Jahren wird das auch bei kleinen Autos preislich so sein und in zehn Jahren wird kaum noch jemand einen Verbrennungsmotor kaufen.
Wird man bei Autos in Zukunft eher auf elektrische Batterien setzen oder eher auf Wasserstoff-Brennstoff-Zellen?
Man kann sicher sein, dass Wasserstoff-Brennstoff-Zellen zumindest für den Pkw und kleinere bis mittlere Nutzfahrzeuge einfach keinen Sinn machen werden. Der elektrische Antrieb wird sich durchsetzen. Die Vernetzung der Fahrzeuge und die künstliche Intelligenz der Fahrzeuge wird in den nächsten Jahren drastisch zunehmen. In spätestens zehn Jahren sind wir so weit, dass wir immer stärker autonom fahren, bis wir auf der Stufe sind, an der die Autos zumindest theoretisch noch nicht mal ein Lenkrad brauchen.
Welche Aufgaben werden im beruflichen Umfeld zum Beispiel verloren gehen?
Wir werden die Herausforderung erleben, dass sich Länder und Nationen mit einer "Arbeitskrise" konfrontiert sehen. Arbeitskrise heißt, es gehen sehr viele Aufgaben in Berufen verloren. Nicht zwingend die Berufe als solche, aber sehr viele Aufgaben.
Alle Aufgaben, die mit komplexen Analysen und mit Recherchen zu tun haben, werden zunehmend von künstlicher Intelligenz übernommen. Zum Beispiel im Gesundheitsbereich: Wenn ich an Krebs erkranke, wird eine künstliche Intelligenz eingesetzt, die mir die beste, zweitbeste, drittbeste Therapie empfiehlt, nachdem sie in wenigen Minuten eine Million medizin-wissenschaftlicher Dokumente gelesen hat. Das kann eine Ärztin heute nicht.
Wenn ich ein Haus konstruiere, dann möchte ich in Zukunft, dass mein Architekt dafür eine künstliche Intelligenz nutzt, kombiniert mit sogenanntem Building Information Modelling, und mir dabei hilft, genau meine Ansprüche innerhalb eines Beratungsgesprächs von ein, zwei Stunden in eine Gesamtplanung des Gebäudes umzusetzen. Das hätte normalerweise Wochen, wenn nicht Monate gedauert und sehr viele Menschen beschäftigt.
Alle Aufgaben, die mit komplexen Analysen und mit Recherchen zu tun haben, werden zunehmend von künstlicher Intelligenz übernommen.
Die Informationen werden also in Zukunft so kompakt zur Verfügung stehen, dass Menschen, die sie brauchen, sie ganz schnell abrufen können?
Genau. Ein Beispiel: In einem Gerichtsprozess wird meine Anwältin Beispielfälle nicht manuell irgendwo durch die Bücher suchen lassen, sondern sie durch eine künstliche Intelligenz zusammenstellen lassen. Diese KI findet dann Fälle in Deutschland, in Österreich, in den USA, in Kanada, die einschlägig sind und die wir nutzen können, um zu verteidigen oder eine Klage zu formulieren. Alles das sind schon länger existierende Funktionalitäten, die immer besser werden, so dass wir dafür gar keine Menschen mehr einsetzen werden wollen - und auch kostenmäßig nicht einsetzen können. Wenn Medikamente oder ein neuer Impfstoff wegen einer neuen Form der Grippe entwickelt werden müssen, werden das auch künstliche Intelligenzen tun, weil sie es einfach viel schneller und damit rechtzeitiger können.
Wie ist es mit den kreativen Tätigkeiten?
Je weiter die Zeit voranschreitet, desto mehr wird auch das Kreative, also Malen, Drehbücher oder Geschichten schreiben und Musik komponieren, immer leichter und häufiger durch künstliche Intelligenz möglich.
Das sieht man jetzt schon bei Bildern, so zum Beispiel indem ein Computer ein Bild gemalt hat.
Der Computer ist einfach auf Zuruf kreativ. Die nächsten zehn, 20 Jahre, wird es noch eine Bedeutung haben und auch besser sein, wenn ein Mensch das macht. Doch schon seit mehreren Jahren lassen große Redaktionen, Finanznachrichten, von Computern schreiben. Es gibt Geschichten, die eine KI geschrieben hat, es gibt auch Plots, also Drehbücher, die eine KI geschrieben hat. Das sind kreative Tätigkeiten, die den Menschen nicht vorbehalten sind.
Man glaubt immer, nur der Mensch kann das Neue schaffen. Das stimmt aber in dem Moment nicht, wenn man das Kreieren des Neuen als Prozess beschreiben kann. Dann entwickelt die KI aus dem gleichen Raum der Möglichkeiten ihre Entwürfe wie es der Mensch täte. Sie kann es aber deutlich besser und schneller! Insofern ist auch das Kreative uns nicht vorbehalten, aber wir werden sicherlich noch eine ganze Zeitlang den Hut aufhaben. An der Stelle müssen wir aufpassen, dass wir die Chefs bleiben in dieser Entwicklung. Ich sehe zumindest für die nächsten 30 bis 40 Jahre nicht die Gefahr, dass die künstliche Intelligenz die Welt übernehmen wird. Irgendwann in unserer Zukunft werden wir uns aber mit diesem Problem konfrontiert sehen und uns dagegen wappnen und wehren müssen. Das ist heute noch weit weg. Nur müssen wir heute die Grundsteine dafür legen, dass wir an der Entscheidung stehen.
Man glaubt immer, nur der Mensch kann das Neue schaffen. Das stimmt aber in dem Moment nicht, wenn man das Kreieren des Neuen als Prozess beschreiben kann. Dann entwickelt die KI aus dem gleichen Raum der Möglichkeiten ihre Entwürfe wie es der Mensch täte.
Die künstlichen Intelligenzen werden die Welt übernehmen - bedeutet das, sie sind intelligenter als der Mensch und können auch selbständig handeln?
Im Moment ist jede künstliche Intelligenz noch eine sogenannte Narrow AI, also eine schmale künstliche Intelligenz. Das bedeutet, sie ist sehr spezialisiert. Wenn man aber über die Zeit immer mehr schmale künstliche Intelligenzen aneinanderreiht, dann wird das Spektrum dessen, was die künstlichen Intelligenzen können, immer größer. Damit wächst eben die Potenz der Technologie. Die KI hat eine bestimmte Aufgabe, die sie perfekt oder immer perfekter und besser ausüben kann als der Mensch. Der Mensch ist aber sehr viel breiter in seinen Fähigkeiten, kann also die Komplexität der Welt besser beherrschen und sich darin zurechtfinden als die spezialisierten intelligenten Maschinen.
Wie sollten Menschen sich beruflich aufstellen, damit sie in Zukunft auch noch einen guten Job ausüben können?
Man kann das in eine einfache Formel bringen: Streben Sie danach, ein exzellenter Mensch zu sein. Tun, lernen und können sie all das, was ein exzellenter Mensch beherrschen und lernen kann. Mit "exzellenter Mensch" meine ich, Werte zu haben, sich auch danach verhalten können, sich selbst steuern können. Da kommen dann auch Disziplin und Willenskraft zum Tragen. Gute Beziehungen aufbauen und pflegen können. Das eigene Leben gestalten können. Aus meiner Sicht gehört zu dem, was man lernen oder studieren sollte, möglichst eine technologische Komponente dazu. Das muss nicht IT sein.
Wie beurteilen Sie das Bildungsangebot an den Schulen heutzutage? Sollten die Schulen ihr Bildungsportfolio verändern?
Dass sie es tun, sehe ich nicht häufig. Wenn wir warten, bis die Schulen in der Breite alles Nötige machen, ist es zu spät. Dann fallen wir zurück gegenüber gerade asiatischen Staaten, die sich mit sehr viel mehr Konsequenz und mit weniger Rücksicht auf Befindlichkeiten entwickeln. Wir sollten es uns nicht so gemütlich machen angesichts solcher Veränderungen. Allerdings werden wir es vermutlich nicht schnell verändern können, denn wir erleben ja, wie wir uns lieber in ausführlichen Diskussionen begegnen, sich aber an den Schulen am faktischen Unterricht relativ wenig ändert. Also muss es eher außerhalb der Schulen stattfinden, in der Freizeit beziehungsweise in der Familie und vor allem im Unternehmen.
Die Unternehmen werden sich auch verändern. Wir haben am Anfang über Elektromobilität gesprochen. Diese Industrie wird sich komplett verändern.
Es gibt viele Branchen, in denen sich die Dinge sehr stark verändern. Uns fällt die Mobilität natürlich auf, weil wir alle damit zu tun haben. In diesem Bereich ist die führende Rolle der europäischen, speziell der deutschen Hersteller und Zulieferer, deutlich in Frage gestellt. Ein batterie-elektrischer Antrieb und ein entsprechendes Auto ist deutlich einfacher. Sehr viel von dem, worauf wir stolz waren, wo wir die technologische Führung haben, im Verbrennungsmotor und in seiner ganzen Komplexität, das ist schlicht nicht nötig. Je nach Vergleich sagt man, dass man im batterie-elektrischen Antrieb 20 bewegliche Teile hat und im klassischen Verbrennungsmotor 1.500 bis 2.000. Wir können dann Dinge besonders gut, die man nicht mehr braucht.
Eine andere Branche ist der Einzelhandel. Wie wird sich der Einzelhandel in Zukunft noch weiter verändern?
Da wird sich ein Trend fortsetzen, den wir seit Jahrzehnten kennen. Alles das, was Versorgungseinkauf ist, wird weiter digitalisiert. Und was Erlebniskauf ist, kann noch physisch bleiben, aber wir sehen ja auch, dass man selbst eine Anprobe virtuell machen kann. Wir sehen, dass viele Dinge, die wir vorher glaubten, nicht online oder kaum online gekauft werden zu können, Schuhe, Kleidung, Nahrungsmittel, dass das alles sehr wohl geht. Ich kaufe Nahrungsmittel online ein, zumindest dann, wenn ich einen reinen Versorgungskauf mache. Ich bin froh, um die Zeit, die ich spare. Ich bin froh, um die Präzision, die ich dabei habe. Das ist alles entlastend. Deshalb werden wir Einzelhandel vor Ort so sehen und erleben, dass es immer mehr zu dem wird, was man aus Freizeit tut, aus Freude tut. Das gibt es schon seit Jahrzehnten, das setzt sich fort. Damit verändern sich auch die Innenstädte in sehr unterschiedliche Richtung, aber sicherlich nicht mehr von den Angeboten geprägt sein, die wir für Versorgungskäufe brauchen.
Wie werden die Innenstädte sich denn verändern?
Es gibt kein zuverlässiges Bild, weil es vor allem eine Frage der aktiven Gestaltung ist. Man kann natürlich versuchen, Einzelhandel in der Innenstadt zu halten und das werden viele Akteure sicherlich auch versuchen. Viele Einzelhändler werden, schlicht aus ihrer Tradition der Betriebe, in den Innenstädten bleiben wollen. Aber immer weniger von ihnen werden Geld verdienen. Es kann also durchaus sein, dass wir in 20, 30 Jahren nach wie vor viel Einzelhandel in den Städten sehen werden, aber das wird kein rentabler Einzelhandel sein. Was sich wirklich nach und nach entwickelt, ist alles das, was zum Erlebniskauf gehört. Gastronomie spielt sicherlich eine große Rolle dabei. Auch die ist dann aber nicht besonders rentabel, so wie heute eigentlich auch schon. Ob man jetzt diese Standardisierung zulässt, bei der man immer die gleichen Ketten sieht, egal, ob man jetzt durch Frankfurt, Belgrad oder London läuft, das ist eine Frage der lokalen Entscheidung. Das ist keine Frage von Trends, die einfach so passieren.