CAREERS LOUNGE präsentiert Personalities: Kurt-Georg Scheible (Teil 1)
CAREERS LOUNGE: Herr Scheible, Sie sind Verhandlungsexperte. Wie kann man lernen, besser zu verhandeln?
Kurt-Georg Scheible: Wie bei allem anderen macht auch beim Verhandeln Übung den Meister. Allerdings ist es dabei ähnlich wie im Sport oder der Musik: Ohne die richtige Anleitung und permanente Optimierung eines Lehrers üben Sie schnell das Falsche. Und dann haben Sie zwar viel Erfahrung, doch wenig Können.
Gibt es bestimmte Grundvoraussetzungen, um gut zu verhandeln?
Die größte Herausforderung ist die mentale Einstellung auch sich selbst gegenüber. Wenn ich als Dozent die Frage stelle: "Wer verhandelt gern?" oder "Wer verhandelt überhaupt?", meldet sich kaum jemand. Wir verhandeln jedoch ständig, und das ganz häufig mit uns selber, indem wir uns Fragen stellen wie: "Will ich eine Runde laufen oder lieber im Bett bleiben?" Wichtig ist zu erkennen, Verhandlungen erfolgen jeden Tag – und daher ist es sinnvoll, das Verhandeln zu lernen. Ich darf beim Verhandeln keine Angst vor der Ablehnung haben. Ein richtig guter Verhandler kann mit einem "Nein" gut umgehen und verhandelt dennoch weiter. Denn es ist möglich, sich die Angst vor dem "Nein" abzutrainieren. Mit Übung gelingt das, indem ich in Situationen "Nein" provoziere, in denen es nicht so wichtig ist. Beim Einkaufen kann ich zum Beispiel einen Händler nach einem Rabatt fragen und ein "Nein" in Kauf nehmen und akzeptieren – und noch weiter verhandeln.
Erfolgs-Tipp:
Trainieren Sie das "Nein-Abholen" in einfachen Situationen. Versuchen Sie zum Beispiel beim Einkaufen einen Rabatt auszuhandeln, und geben Sie bei einer erwarteten Ablehnung nicht auf. So trainieren Sie Ihre Ablehnungsresistenz und Ihr Verhandlungsgeschick.
Eine wichtige berufliche Verhandlungssituation ist das Bewerbungsgespräch. Was empfehlen Sie, wie können Kandidaten und Kandidatinnen besser verhandeln?
Häufig wird von Bewerbern das Alter, die Erfahrung oder die Ausbildung angeführt, um den Job oder das Wunschgehalt zu bekommen. Das ist zwar alles wichtig, doch entscheidend ist, was der Bewerber dem neuen Arbeitgeber und seinem Chef bringt. Unternehmen stellen Mitarbeiter ein, weil sie jemanden brauchen, der sie unterstützt und weiterbringt, und nicht weil der Bewerber einen Job braucht. Für das Unternehmen muss klar ersichtlich sein, welche Vorteile es hat, wenn es jemanden einstellt. Wenn ein Bewerber erklärt, dass er recherchiert hat und weiß, was das Unternehmen braucht, und auch darstellt, wie er dazu beitragen und das Unternehmen unterstützen kann, dann kommt er weiter.
Eine zentrale Frage ist das Gehalt. Welche Strategie führt hier zum Erfolg?
Stellen Sie den Nutzen für den Arbeitgeber und den Chef in den Vordergrund. Werden Sie zum Helfer des Unternehmens, der Abteilung und des Vorgesetzten bei der Erreichung ihrer Ziele und denken Sie auch an Neben- und Zusatzleistungen außerhalb des reinen Gehalts. Lernen Sie auch hier, mit einem "Nein" umzugehen. Es liegt nicht am anderen, sondern nur daran, dass Sie selbst es nicht richtig eingefädelt haben und es dem anderen nicht ermöglicht haben, "Ja" zu sagen.
Welche Möglichkeiten gibt es noch außerhalb des Gehalts?
Die ganze Palette von vermögenswirksamen Leistungen, Direkt- und Unfallversicherungen, Fahrtkosten, betrieblichem Gesundheitsmanagement über Telefon, iPad, Dienstwagen bis hin zu Fachzeitschriften oder Fachbüchern. Und sogar mehr Urlaubstage, flexible Arbeitszeiten, Home-Office und reduzierte Arbeitszeiten sind drin. Wichtig sind außerdem Fort- und Weiterbildungen. Das sind nach wie vor die besten Investitionen in die eigene Persönlichkeit. Lassen Sie keine Ausreden oder Entmutigung gelten nach dem Motto: "Das gibt es bei uns im Betrieb nicht." Verhandeln Sie dann erst recht weiter.
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Wie gelingt es, in einer beruflichen Position eine Gehaltserhöhung zu bewirken?
Kurz gesagt, immer dann, wenn es gelingt, dass das Gehalt samt aller Nebenleistungen vom Arbeitgeber und vom Chef nicht als Kosten betrachtet werden, sondern als Investition.
Können Sie uns von einem Verhandlungsbeispiel aus Ihrer Praxis berichten?
Ja gerne. Diesen Fall hat eine meiner Studierenden als Praxisfall für festgefahrene Verhandlungen mitgebracht. Sie macht berufsbegleitend ihren Master und wird dabei auch schon relativ großzügig von ihrem Arbeitgeber unterstützt. Nur die Kosten für eine Exkursion der Hochschule nach China hat der Vorgesetzte der Studentin abgelehnt. Damit wollte sie sich nicht abfinden und gleichzeitig wusste sie nicht, wie sie das Thema nochmal aufgreifen könnte.
Die Sachlage war relativ klar und da gab es auch nichts mehr zu machen. Also haben wir uns auf den Vorgesetzten als Mensch konzentriert und so lange gesucht, bis wir einen Ansatzpunkt gefunden haben, mit dem die Studierende sich zur Helferin bei den unternehmerischen, wirtschaftlichen und persönlichen Zielen des Vorgesetzten machen konnte. Das war in dem Fall ein Projekt, das der Vorgesetzte betreuen sollte – mit einem Geschäftspartner, der in China produzieren lässt. Von da an war es einfach, und wir mussten nur noch eine gute Verhandlungsstory und den ersten Satz zur Aufnahme des Gesprächs entwickeln. Und die Forderungsliste.
Am Ende bekam die Studentin die Reise samt Flug bezahlt, durfte noch Spesen abrechnen und musste keinen Urlaub einreichen.
Wir müssen manchmal den Rahmen verschieben und unsere Bedenken außerhalb des Rahmens stellen, um uns die innere Erlaubnis zu geben, etwas zu tun. Wir wollen nicht abgelehnt werden und suchen daher nach Dingen, warum etwas nicht geht. Einer der Hauptgründe ist die Angst, uns lächerlich zu machen. Besser ist es jedoch, nochmal das Gespräch zu suchen und kleine Schritte zu machen, um am Ende das zu bekommen, worum es geht. Mit meinen Trainings, Seminaren und meinem Buch lässt sich das trainieren.